GL015: Iwandragga?

23. Juli 2016

(Wir sind zurück im Juli und in der Türkei!)

Ali ist ein Friseur in einem Salon gegenüber unserem Hotel. Das ist relevant weil ich in seinem Stuhl sitze. Weil seine Englischfähigkeiten so gut sind wie meine türkische, bin ich zuversichtlich dass wir einander nicht viel zu sagen haben. Mithilfe von Google Translate finde ich heraus dass er mein Haar sofort schneiden kann.

Als Beispiel des gewünschten Haarschnitts zeige ich ihm ein Passfoto das ich mal machen liess als ich zu Hause frisch vom Friseur kam. Weil das Foto natürlich nicht die Rückseite von meinem Kopf zeigt, fängt er an es hinten mit dem Trimmer recht kurz zurückzuschneiden. Das wird wohl die Standardprozedur sein, denke ich, und weil er nun angefange hat, ist es eh zu spät um daran noch etwas zu ändern.

Als er mit der Oberseite anfangen will, fragt er mich „Iwandragga?“. Ich verstehe nicht was er meint und nach weiterer Verwirrung fragt er ob ich dies doch bitte im Internet nachschauen könnte. Der Standort des Salons gegenüber dem Hotel erweist sich nun als recht praktisch, weil das WiFi-Netzwerk gerade bis hier reicht, obwohl die Netzabdeckung etwa so dicht ist wie das Haar auf meinem Hinterkopf. Google versteht das Ali Ivan Drago meint. Er möchte mir also den Haarschnitt eines Bösewichts aus einem Film der Achtzigerjahre verpassen. Obwohl ich ein grosser blonder Typ bin, geht mir das ein paar Schritte zu weit. Dazu möchte ich nicht wissen wie ein Iwandraggahaarschnitt nach einigen Stunden im Motorradhelm aussieht…

Also sage ich ihm „No Iwandragga“ und hoffe aufrichtig, dass „No“ in Türkisch nicht etwa „Natürlich, tu mir ein Gefallen und gib mir einen Haarschnitt genau wie…“ bedeutet. Zum Glück trifft mein Motto #2 zu.

Ich bekomme jetzt die komplette Behandlung mit Aufmerksamkeit für Augenbrauen, Nase und Ohren (ja, ich weiss). Sobald er mit seinem Trimmer fertig ist, sehe ich wie er Watte um seine verfärbte Schere wickelt. Er zündet sie mit seinem Feuerzeug an. In einer Gefühlsmischung von Neugier und Verwunderung beschliesse ich es einfach passieren zu lassen. Unsere Reiseversicherung deckt Rechtshilfe im Ausland.

Mit seiner Schere in lichterloh, faltet er mein Ohr zusammen und bewegt die Scherenspitze schnell hin und her. So wird das letzte Haar auf meinen Ohren in Rauch umgewandelt. Während sich dies abspielt, habe ich Visionen von Schweinen vor der Schlacht. Und von Niki Lauda. Ich kann gerade ein breites Grinsen unterdrücken als ich realisiere dass dieser Friseurbesuch einen ganzen Reisebericht wert ist.

Nachdem er die Ohren abgefackelt hat, muss ich den Kopf über einem Waschbecken halten, so dass er mein Haar, und was von meinen Ohren übriggeblieben ist, waschen kann. Dann trocknet Ali mir das Haar, gibt mir noch eine Kopfmassage und eine Lotion mit 130% Menthol. Mit einem Gefühl als hätte er mir den Kopf mit einer dicken Zahnpastaschicht eingeölt, folge ich ihm zur Kasse.

Vierzig türkische Lira (€11,50). Unterhaltung muss nicht teuer sein.