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Italien – roadtales.ch

GL004: Bella Autostrada Italiana

(Dieser Bericht wurde mithilfe von Thomas W übersetzt. Vielen Dank!!)


4. Juni 2016 — Zürich wir haben abgehoben

Am 4. Juni brechen wir endlich auf. Zwei Tage früher als ursprünglich geplant, als ich noch nicht realisierte, dass wir für eine rechtzeitige Überquerung des Himalayas viel früher aufbrechen sollten. So ungefähr im April… Wir werden schauen, wie wir etwas von der verlorenen Zeit wieder aufholen, entweder indem wir grössere Distanzen pro Tag zurücklegen, einige Zwischenstationen auslassen oder gänzlich das ‚Endziel‘ ändern. Eigentlich gibt es kein festes Ziel. Unsere Wunschroute führt uns nach Nepal und Südostasien, aber das Hauptziel bleibt eine gute Zeit zu haben, die Welt über das gedrängte Elend in den Abendnachrichten hinaus zu sehen und in einem Stück wieder heimzukehren (jeder von uns).

Wir sind losgefahren und ich bin wirklich froh darüber. Auch weil es zu schwül ist in Motorradkluft herumzustehen. Wir haben vor einigen Tagen eine kleine Probefahrt samt vollständigem Gepäck und neuer Federung von Straffer Feder unternommen, und zwar mit Erfolg. Petra muss sich noch an das zusätzliche Gewicht gewöhnen, aber es ist viel einfacher zu handhaben als das ‚Gepäck‘, das sie während einiger ihrer Fahrstunden hatte: Als Prüfungsvorbereitung sass ich hinten auf ihrer Ducati Monster, während sie fuhr. Es ist vermutlich einfacher mit 47kg Gepäck nach Südostasien zu fahren.

So viel Spass das Fahren auf Nebenstrassen in der Schweiz auch macht, wir nehmen die Autobahn für die erste Etappe unserer Reise. Wir haben bereits viel von der Schweiz gesehen und können ohne Umstände noch mehr erkunden, wann wir zurückkehren. Unsere Fahrgeschwindigkeit auf der Autobahn beträgt 100-110km/h. Darüber geht dem Schwarzen Kamel bergauf mit der Last und dem waschbaren Nachrüstluftfilter etwas die Puste aus.

Es ist immer gut, es am ersten Tag auf die andere Alpenseite zu schaffen. Darum fahren wir durch den Gotthard-Strassentunnel und bleiben bis Lugano auf der Autobahn. Von dort setzen wir unsere Reise ostwärts zum Comersee fort. Die wenigen Haarnadelkurven im Abstieg zum See prüfen Petras Fertigkeiten auf der voll beladenen BMW. Sie meistert auch diese neue Schwierigkeitsstufe.

Wir kennen den See von einem früheren Besuch und sind uns vieler Übernachtungsmöglichkeiten sicher. Wir finden ein hübsches Hotel namens ‚La Darsena‘ am Ufer des Comersees und sogar teils darüber.

Da allzu viel Kleidung auf einer langen Fahrt wie der unseren hinderlich ist, habe ich ein Paar weisse Laufschuhe dabei, die ich fürs tägliche Laufen und Rennen verwende. Kombiniert mit zweckmässiger Outdoor-Kleidung ist es verständlich, dass ich lebenslänglich vom italienischen Bella Figura Wettbewerb ausgeschlossen bin, wie ich beim Betreten des schicken Hotelrestaurants bemerkt habe. Wenigstens habe ich eine gute Ausrede.

Beiläufige Beobachtungen aus dem Sattel: BMW bringt lässt die Erde um sich drehen. Der kleine Globus aus Schaumstoff hinter der Windschutzscheibe der BMW gerät durch die Motorvibrationen in Rotation.


5. Juni 2016 — „Ruft uns nicht an, sonst bringen wir euch um.“

Beim Frühstück werden wir von einem deutschen Pärchen gefragt, wohin die Reise geht. Sie haben unsere Motorräder bemerkt und sind neugierig geworden, weil die Maschinen nicht mehr handelsüblich aussehen, genau wie das Gepäck. Unterhaltungen wie diese dauern immer länger, wenn die erste Antwort „Südostasien“ lautet.

Wir müssen uns immer noch an die weichen Gepäckstücke gewöhnen. Der grösste Nachteil mit dieser Art Gepäck ist, dass es morgens viel länger zum Packen braucht als Aluminium- oder Plastikkoffer. Dies relativiert sich allerdings, nachdem man das erste Mal ernsthaft vom Motorrad in den Dreck fällt und ein Aluminiumkoffer aufgerissen oder ein Plastikkoffer zerschmettert ist. Viel Glück beim erneuten Festschnallen des Koffers und Finden eines Alu-Schweissers in der hintersten Provinz.

Bis wir das Motorrad fertig beladen haben, bin ich völlig verschwitzt und begrüsse den Fahrtwind. Ich bin verwirrt ob der Tatsache, dass mein Navigationssystem keine Abbiegeanweisungen mehr geben will. Es zeigt nur noch „Piazza Vittorio Emanuele II in 800m“ an. Ein Zurücksetzen der Werkseinstellungen löst das Problem (und löscht die ersten GPS-Aufzeichnungen unseres Fahrweges).

Nach Como entscheiden wir uns für die Schnellstrasse, um etwas der verlorenen Zeit wettzumachen. Petra ist mein strahlender Stern, besonders wenn sie ihre 15 Watt LED-Leiste anzündet, damit ich sie besser in meinem Rückspiegel ausmachen kann. Sie bewährt sich auch bei schlechtem Wetter, wie wir bald bemerken, als sich ein Unwetter von Süden anbahnt. Es wird von einem heftigen Platzregen begleitet. Zahlreiche italienische Fahrzeug- und Motorrad-Fahrer suchen unter Überführungen auf dem Pannenstreifen Zuflucht, es sind jedoch zu viele, sodass sie auch vor und nach der Überführung parkieren. Einer von ihnen hält es für eine gute Idee, auf der Fahrspur ganz rechts auf der Autobahn zu parkieren. Dies gibt mir die Gelegenheit, mein stimmgewaltiges Horn — ironischerweise ein italienisches Fabrikat — auszuprobieren. Jetzt weiss er, wie 139dB gebündelter Ärger schallen. Horn-Prüfung abgeschlossen.

Der Regen hört bald auf, aber die Autobahn ermüdet zur Genüge, sodass wir in Desenzano del Garda einen Halt einlegen. Auch hier waren wir schon und wir nehmen ein gemütliches Zimmer in einem hübschen Hotel. Wir kriegen langsam eine Vorstellung, was unsere tägliche Ankunftsprozedur werden könnte: Ketten ölen, Ladegeräte in alle verfügbaren Steckdosen einstecken, einige Fitness-Übungen und falls nötig einige Kleider waschen.

Zitat des Tages. Die wirklich nette Dame an der Hotelrezeption scheint unseren Sinn für Ironie zu erahnen und sagt: „Hier ist meine Nummer, aber wenn ihr mich anruft, bring ich euch um.“ Ich hoffe zumindest, dass es Ironie war.


6. Juni 2016 — Funkstille

Nach dem guten Frühstück lassen sich die Motorräder viel einfacher beladen. Nicht wegen dem Frühstück, sondern weil ich das Gepäck an Petra auf der anderen Seite der Hecke im Hintergarten durchreiche, was uns einige Umwege erspart. Als alles wieder sicher an den Motorrädern befestigt ist, bin ich schon wieder schweissgetränkt.

Die Freisprecheinrichtung für die Kommunikation mit Petra funktioniert nicht ordnungsgemäss. Am dritten Tag einer dreihunderttägigen Reise, stellt euch vor… Ich kriege es hin, sie mit dem Navi zu verbinden, um ein bisschen Musik auf einem weiteren langen Autobahnabschnitt abzuspielen, aber ich muss miterleben, wie es langsam stirbt und schlussendlich gar nicht mehr funktioniert. Keine Kommunikation und keine Musik machen diese Fahrt ziemlich langweilig. Der flatternde Frontwind und zahlreiche langsam überholende Lastwagen machen sie auch nicht angenehmer.

Wir entscheiden uns für einen Aufenthalt in Triest, teils auch weil Markus R. mir erzählt hat, dass es eine schöne Stadt sei. Und er hat recht. Die Aussicht von der sich schlängelnden Strasse von der Autobahn hinunter ins Zentrum ist sehr vielversprechend: in Triest gibt es viele schöne Gebäude aus dem 19. Jahrhundert. Mein Navigationssystem kommt gut mit dem Einbahnstrassen-Rätsel zurecht. Ich erreiche das Hotel ohne Umwege und ohne Petra zu verlieren.

Die Strasse vor unserem Hotel hat viele Parkplätze für Roller und Motorräder. Weil aber jeder in Triest einen Roller zu besitzen scheint, sind die nächsten freien Plätze drei Häuserblocks entfernt. Ich muss bereits erwähnt haben, dass wir 110kg Gepäck dabei haben. Und dass es heiss ist. Und dass ich bereits von der gemächlichen Fahrt durch die Stadt schwitze. Sobald wir schliesslich alles von den Motorrädern ins Hotel geschleppt haben, brauche ich eine volle halbe Stunde zur Abkühlung.

Ich habe die Freisprecheinrichtung geöffnet und musste nach der Begutachtung einen Totenschein ausstellen. Da ist ein Sprung im Plastikgehäuse, vermutlich entstanden, als ich es versehentlich mal fallen liess. Der heftige Regen gestern konnte eindringen und die Elektronik langsam zerstören. Wir werden es sehr vermissen. Es ist nicht nur Luxus, während der Fahrt miteinander reden zu können. Die Verständigung ist sehr hilfreich, um auf Sicherheitsrisiken hinweisen zu können oder auch zu diskutieren, wann wir zu Mittag essen oder Toiletten aufsuchen. Jetzt müssen wir jedes Mal anhalten und schreien, um Einfachstes auszutauschen, was uns viel Zeit und Energie kostet.

Die heutige Restaurant-Empfehlung: Restaurant Champagneria nahe der Piazza dell’Unità d’Italia in Triest.


7. Juni 2016 — Bauarbeiten

Beim Frühstück entschliessen wir uns, einen weiteren Tag in Triest zu verweilen, um die Stadt zu erkunden, erste Vorkehrungen für unsere Visa für den Iran und Usbekistan zu treffen und die weitere Route zu planen. Und mein nächstes Problem zu lösen: wieso meine externe Festplatte den Geist aufgegeben hat. Wieso muss alles kaputt gehen? Jetzt werden wir keine Ausweichmöglichkeit mehr haben, als alles Hochzuladen, wenn wir eine gute Internetverbindung haben. Und meine Musiksammlung ist auf jenen Rest zusammengeschrumpft, der bereits auf dem Telefon gespeichert ist. Vermutlich sollen wir uns an ein Leben ohne Luxus gewöhnen.

Die Routenplanung enthüllt, dass wir Georgien und Armenien auslassen müssen und direkt von der Türkei in den Iran fahren müssen, anderenfalls wird es zu eng China Ende September zu erreichen. Ich habe mich wirklich auf diese beiden Länder gefreut, aber wir können nicht alles haben. Sie sind ’nahe genug‘ zu Zentraleuropa, um sie eines Tages zu besuchen, vielleicht sogar mit einer Fähre von Bulgarien aus.

Die Dame an der Hotelrezeption schlägt vor, dass wir die Motorräder näher beim Hotel parken sollten! Grossartig, denn ein weiterer Grund für die Aufenthaltsverlängerung um einen weiteren Tag war, dass mir nicht nach dreimal drei Häuserblocks laufen war — hin und zurück und in Motorradklamotten — um all unser Gepäck erneut auf die Räder zu bringen. Offenbar finden im Erdgeschoss des Gebäudes Umbauarbeiten statt und sie hat die Arbeiter angewiesen, etwas Platz für zwei Motorräder frei zu lassen. Sehr nett und sehr hilfreich. Als ich auf Triests Strassen fahre, um Straffe Feder in unsere neue Garage zu befördern, ernte ich skeptische Blicke von den Rollerfahrern. Und nicht weil ich die ‚Keine Einfahrt‘-Schilder ignoriere, wie es alle tun.